In einem Schreiben an Agrarminister Jörg Vogelsänger hat sich der Präsident des Bauernbundes Brandenburg Karsten Jennerjahn dafür ausgesprochen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen und eine Wolfsverordnung zum Schutz von Mensch und Weidevieh zu erlassen. Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Vogelsänger,
seit Jahren wird die Rückkehr des Wolfes nach Brandenburg kontrovers diskutiert. Von Seiten der Landesregierung wurde mit Erarbeitung des Wolfsmanagementplanes 2013 ein Versuch unternommen, auf die Belange der Landwirte einzugehen, freilich ohne grundsätzlich das Ziel einer flächendeckenden Ausbreitung des Wolfes in Brandenburg in Frage zu stellen. Damit sind aus unserer Sicht künftig zunehmende Konflikte vorprogrammiert. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass Herdenschutz und Schadensausgleich in der Praxis nicht funktionieren können. Wolfsmanagement heißt nach unserem Verständnis Regulierung eines Raubtieres und nicht Ruhigstellung der betroffenen Weidetierhalter mit Ideologie und Almosen. Der Wolfsmanagementplan von 2013 muss daher 2016 durch ein Dokument abgelöst werden, das diesen Namen auch verdient.
Zunächst möchten wir betonen, dass wir die Verantwortung für das Wolfsmanagement nach wie vor in Ihrem Hause sehen. Das Plenum Wolfsmanagement kann hier nur beratende Funktion haben, genau wie Sie unabhängig von diesem Gremium gut daran tun, mit allen interessierten Gruppen im Dialog zu bleiben. Wir haben uns darauf verständigt, an dem für Dezember 2015 anvisierten Plenum Wolfsmanagement mitzuwirken, betonen aber, dass wir keine Mehrheitsentscheidungen dieses letztlich willkürlich zusammengesetzten Gremiums akzeptieren werden. Entscheidungen, wie mit dem Wolf in Brandenburg umzugehen ist, liegen allein beim Ministerium, ebenso die Verantwortung für diese Entscheidungen.
Als notwendige Ergänzungen des Wolfsmanagementplanes schlagen wir deshalb vor:
mittelfristig die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht, unmittelbar einzuleiten durch eine Bundesratsinitiative Brandenburgs mit dem Ziel, die Bundesregierung möge sich aufgrund des offensichtlich günstigen Erhaltungszustandes des Wolfes bei der Europäischen Kommission für eine Verschiebung von den Anhängen II und IV in den Anhang V der FFH-Richtlinie verwenden. Bei 700 bis 800 Wölfen allein in der deutsch-westpolnischen Teilpopulation und einem inzwischen zweifelsfrei nachgewiesenen genetischen Zusammenhang mit der sehr großen russisch-baltischen Population kann nicht mehr von einer bedrohten Art ausgegangen werden. Dabei können Sie sich auf die eigentlich zweifelhafte Aussage Ihrer Amtskollegin Frau Hendricks berufen, die Anhänge nicht wegen lediglich einer Tierart (des Bibers) überprüfen zu wollen, und angesichts der nunmehr zweiten Tierart Handlungsbedarf anmelden.
kurzfristig die Verabschiedung einer Wolfsverordnung analog zur Biberverordnung, die unter Berufung auf die öffentliche Gefahrenabwehr die unkomplizierte Entnahme des Wolfes erlaubt, soweit er sich aus unbewohnten Regionen heraus in von Menschen frequentierte Regionen bewegt. Hierfür sind Wolfsschutzgebiete einzurichten, in denen er definitiv nicht entnommen wird und in denen Menschen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen haben. Als Wolfsschutzgebiete kommen aus unserer Sicht insbesondere naturschutzrechtliche Totalreservate, ehemalige Truppenübungsplätze und Tagebaue in Frage, wofür allein in Brandenburg mehr als 60.000 ha zur Verfügung stehen dürften. Sollen aus Gründen des räumlichen Zusammenhanges von Menschen frequentierte Gebiete einbezogen werden, sind für Bewohner und Weidevieh wirksame Schutzmaßnahmen vor-zusehen und die Kosten dafür komplett durch das Land zu übernehmen.
Der Sinn einer Mitarbeit in der Arbeitsgruppe Herdenschutz hingegen scheint uns immer fragwürdiger, wenn das Ministerium nicht von seinem Ziel einer flächendeckenden Ausbreitung des Wolfes in Brandenburg Abstand nimmt. Die hier diskutierten wolfssicheren Zäune sind, soviel hat die Befassung in der Arbeitsgruppe immerhin ergeben, unbezahlbar. Würde man diese als feste Bauwerke (160 cm mit 50 cm Unterwühlschutz) auf dem gesamten Weideland in Brandenburg etablieren, belaufen sich die Kosten dafür nach ersten vorsichtigen Schätzungen auf rund 250 Millionen Euro – das entspricht etwa der Größenordnung aller Agrarumweltmaßnahmen dieser Förderperiode. Feste Bauwerke wären zwar relativ sicher, hätten aber gravierende Auswirkungen auf das Landschaftsbild und würden natürlich nicht nur den Wolf, sondern das gesamte Wild aus einem nennenswerten Teil der Landesfläche aussperren. Würde man wolfssichere Zäune hingegen als mobile Bauwerke ausführen (5 Litzen, die unterste 20 cm über dem Erdboden), würde sich der immer wiederkehrende Arbeitsaufwand beim Zaunbau mehr als verdreifachen, bei der Pflege mindestens verdoppeln (vorausgesetzt die Ausbringung von Glyphosat mit der Rückenspritze stellt kein Problem dar, denn mit der Motorsense ist die Freihaltung der untersten Litze in der Vegetationsperiode schlichtweg nicht zu bewältigen).
Vor diesen Konsequenzen einer flächendeckenden Ausbreitung verschließt die Arbeitsgruppe Herdenschutz jedoch die Augen und formuliert statt dessen absurde Bedingungen für die Entschädigung von Wolfsrissen. So sollen Rinderhalter zwar keine wolfssicheren Zäune vorweisen müssen (sonst gäbe es ja auch keine Risse), aber den Standard der aid-Broschüre „Sichere Weidezäune" einhalten – zum Beispiel drei Litzen in der Nähe befahrener Straßen und eine Litze im Wald. Das Problem ist nur, dass es sich mit der Wahrscheinlichkeit eines Wolfsrisses genau umgekehrt verhält. Nach wie vor gibt es keinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Entschädigung, wird lediglich der Verkehrswert erstattet und nicht der Zuchtwert oder der zu erwartende Wertzuwachs, und nach wie vor lassen sich Kollateralschäden von Wolfsrissen nicht erfassen. Wenn die Arbeitsgruppe auf die Kälberverluste in der Mutterkuhhaltung verweist und diese spöttisch in Relation zu den bisher glücklicherweise noch geringen Wolfsrissen setzt, so dürfte darin sicher auch eine nicht unerhebliche Zahl von Verkalbungen enthalten sein, deren Ursache in externen Unruhefaktoren liegt, wie sie der Besuch eines großen Raubtieres in einer Mutterkuhherde darstellt.
Bei einer flächendeckenden Ausbreitung des Wolfes würden Herdenschutz und Schadensausgleich unbezahlbar, undurchführbar oder zumindest auf extreme Weise unverhältnismäßig gegenüber dem Nutzen, der damit angeblich erzielt werden soll. Auf den Kosten würden letztlich die Landwirte sitzen bleiben mit der Folge, dass die besonders artgerechte, umweltfreundliche und gesellschaftlich hoch akzeptierte Weidetierhaltung im Wettbewerb mit intensiveren Haltungsformen an wirtschaftlicher Attraktivität verliert. Ganz zu schweigen von den Problemen, die sich daraus ergeben, dass das Risiko ausbrechender Rinderherden bislang weder von der Landwirtschaftlichen Haftpflicht noch von der Kfz-Vollkaskoversicherung abgedeckt wird. Oder von dem Streuungsrisiko, das dem Wolf als Tollwutüberträger zukommt. Oder von der Gefahr für Menschen, wenn er seine natürliche Scheu verliert.
Wir bitten Sie eindringlich, das Wolfsmanagement in Brandenburg ernst zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Karsten Jennerjahn, Präsident